Mittwoch, 30. Dezember 2009

China diktiert der Welt seine Bedingungen

 

Dossier Das Reich der Mitte hat sich beim Klimagipfel als entscheidender Spieler in der Weltpolitik etabliert: Ohne die Zustimmung Chinas hätte auch der Minimalkonsens nicht erzielt werden können.

von Peter Ehrlich  Kopenhagen und Christiane Kühl, Schanghai
"Es zeigt sich ein sehr selbstbewusstes China", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nur US-Präsident Barack Obama  konnte den Chinesen minimale Zugeständnisse abringen. Sie erklärten sich bereit, dass die nationalen Verpflichtungen der einzelnen Staaten zum Klimaschutz "internationalen Konsultationen und Analyse" unterworfen werden, ohne in die nationale Souveränität einzugreifen. Das war aber weniger als die volle Transparenz, die Obama noch in seiner Rede vor dem Plenum der Konferenz am Freitagmittag gefordert hatte.
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China dagegen, so analysierte Merkel, blieb während der ganzen Konferenz bei seiner vorher festgelegten Linie. Die hieß: Wir beteiligen uns zwar am Klimaschutz, lehnen aber internationale Verpflichtungen ab. So war auch die Verhandlungstaktik. Premierminister Wen Jiabao begab sich nur einmal, für seine kurz vor Obama gehaltene Plenumsrede, unter die gewöhnlichen Delegierten. Zur Runde von 30 Staaten in der Nacht zum Freitag, als Größen der internationalen Politik wie Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy , Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon , Merkel und viele andere teilnahmen, schickte Wen seinen Klimaunterhändler. Und als am Freitag die Runde noch kleiner und mit Obama und Russlands Präsidenten Dmitri Medwedew  noch exklusiver wurde, wechselten sich chinesische Vertreter ab.

Immer schön lächeln: Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao bei der Klimakonferenz
Wer mit Wen selbst reden wollte, musste meist zu ihm ins Hotel fahren. Damit nicht genug: Bevor der Minimalkompromiss in einer Runde mit dem Inder Manmohan Singh , Südafrikas Präsidenten Jacob Zuma, Lula und Obama perfekt gemacht wurde, ließ Wen Obama sogar eine gute halbe Stunde warten.
Schon vorher hatten die Chinesen den Verlauf der Konferenz entscheidend mitbestimmt. Die rüden Attacken des sudanesischen Unterhändlers Lumumba Di-Aping gegen die dänischen Verhandlungsführer seien auf chinesischen Einfluss zurückzuführen, hieß es aus europäischen Quellen. Immer wenn Dänemark Vorschläge für eine konkrete Einigung machen wollte, wurden diese blockiert. China trat auch stets als Teil der G77, also der 130 Staaten umfassenden Gruppe der Entwicklungsländer auf, obwohl diese oft ganz andere Interessen haben als China. Von "Provokation bis hin zu Unverschämtheit und Verantwortungslosigkeit" sprach der deutsche Umweltminister Norbert Röttgen.

In China wurde Wens Verhalten von staatlichen Medien gelobt. "Er nahm eine prinzipientreue, aber flexible Haltung an und machte den Rücken krumm, um die Klimagespräche auf den richtigen Pfad zu bringen", schrieb die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Wen habe der Welt Hoffnung gegeben, sagte Außenminister Yang Jiechi.
Dass China eine aktivere Rolle in der Welt spielt, darauf hatten gerade die Europäer seit Längerem gedrungen. Immer wieder etwa mahnte Merkel Wen und Präsident Hu Jintao , über Asien hinaus Politik zu machen. Das tut China nun seit einigen Jahren, etwa auch durch Entwicklungshilfe in Afrika. Dass der mit Geld verbundene Einfluss auf andere Länder jetzt auch bei internationalen Verhandlungen genutzt wird, sollte niemanden überraschen: Jahrzehntelang haben die USA und die Sowjetunion ihre jeweiligen Vasallen bei Uno-Konferenzen vorgeschickt.
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Was China am meisten fürchtet, sind Eingriffe in seine Souveränität. Zwar verspricht das Land, seinen CO2-Ausstoß pro Einheit des Bruttoinlandsprodukts bis 2020 um 40 bis 45 Prozent gegenüber 2005 zu senken. Aber echte internationale Kontrolle akzeptieren die Chinesen ebenso wenig wie die Inder. Und auch die USA tun sich mit internationalen Vereinbarungen, die die nationale Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen könnten, traditionell schwer. Kein Wunder also, dass China, die USA und Indien, die CO2-Emittenten Nummer eins, zwei und vier, das Ergebnis von Kopenhagen im Gegensatz zum Rest der Welt begrüßt haben.
Obama allerdings wird jetzt von zwei Seiten kritisiert. Konservative meinen, er habe China nachgegeben und finanziere letztlich die wirtschaftliche Modernisierung des Hauptkonkurrenten der USA. Umweltschutzorganisationen dagegen sind enttäuscht von dem Mann, der einen grundlegenden Wandel der Wirtschaftsweise in den USA versprochen hatte. Mit seiner Wertung von einem "bedeutenden und nie da gewesenen Durchbruch" stand Obama am Wochenende ziemlich allein da.
Chinas Macht dagegen wächst weiter. Gegen den größten CO2-Verschmutzer lässt sich keine Klimapolitik machen. Den Titel Exportweltmeister wird China in diesem oder im nächsten Jahr den Deutschen abnehmen. Zwar wird China noch viele Jahre brauchen, um die USA als größte Wirtschaftsnation abzulösen, aber zugleich ist der amerikanische Staat bei den Chinesen hoch verschuldet. Ohne China läuft schon heute nichts mehr.



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